Günni steht lässig auf der Weide, nur die Fliegen nerven den Wallach etwas. Günni – oder auch Topgun, wie er eigentlich heißt – hat heute mal Pause. Seine Besitzerin Jennifer Oltmanns aus Bad Zwischenahn ist gerade erst mit ihm in einen neuen Stall umgezogen. Im Ortsteil Ohrwege hat sie sich mit einem eigenen Hof einen Traum erfüllt. Da springt Günni nicht über Hindernisse oder geht Dressur im Viereck: Jennifer Oltmanns reitet seit fünf Jahren Western, eine Reitweise die in Anlehnung an die Arbeitsweise der Cowboys entstanden ist. Davor war sie klassisch in englischer Reitweise unterwegs.

„Es war die beste Entscheidung zu wechseln“, sagt Jennifer heute. „Ich würde nie wieder zurück gehen.“ Um bei der Umstellung nichts falsch zu machen, holte sie sich damals Hilfe von einer Reitlehrerin. Allein die Turniere begeistern die Ammerländerin sehr – schon die Stimmung sei anders als auf den Dressur- oder Springturnieren. „Es sind die Leute, die man kennenlernt, die Atmosphäre.“ Wenn man Hilfe brauche, könne man jeden fragen. Allerdings sind die Westernturniere auch etwas kleiner als die klassischen – wenn man mal von der German Open, also der Deutschen Meisterschaft in der riesigen Ostbayernhalle in Kreut, absieht.
Es war die beste Entscheidung zu wechseln.
Der größte Unterschied zum Englisch-Reiten sei die Körperspannung. Das Pferd soll etwas tun mit minimalen Hilfen. „Du bist auf dein Körpergefühl und deine Beine angewiesen“, erklärt Jennifer. Das sehe immer so einfach aus, ist es aber nicht.
Küsschen für’s Galopp
Die Kommandos sind anders als bei der klassischen Reitweise. Mit leichtem Schnalzen, Hände nach vorn, Beine dran und etwas nach vorne gelehnt gibt man dem Pferd zum Beispiel das Kommando, loszulaufen. Mit einem langen „Whoaa“ und zurücklehnen hält man an. Zum Galopp reicht ein Geräusch: „Küsschen“. Mit einem tiefen „Eaaasy“ wechselt man in die langsamere Gangart.

Vielfältige Disziplinen auf dem Turnier
Jennifer ist von der Vielfältigkeit des Westernreitens begeistert. Auf Turnieren reitet sie gerne Ranch Riding. „Das kann Günni auch super gut, die Schritte verlängern.“ Der Trab soll dabei extended, also erweitert sein. Dabei gibt das Pferd ein wenig Gas und macht raumgreifendere Schritte, ohne gleich ins Galopp zu wechseln. Aber auch Showmanship, Horsemanship oder Pleasure gehören zu ihrem Repertoire. Beim Trail ist sie nicht dabei, „da hat Günni keine Geduld für“, sagt Jennifer und lacht. Allerdings muss die Zwischenahnerin für Turniere immer mindestens anderthalb Stunden Fahrt auf sich nehmen. Die nächsten Turniere finden zum Beispiel in Neuschoo (Kreis Wittmund), Stavern (Emsland) oder Dönsel (Diepholz) statt. Und aufgrund der Zeitpläne für die Prüfungen muss Jennifer auch immer ein ganzes Wochenende einplanen. Dann wird eben einfach samt Pferden gezeltet.
In höheren Klassen reitet man einhändig
Aber dafür lohnt es sich auch: Vor zwei bis drei Jahren ist Oltmanns mit Günni in der untersten Leistungsklasse (LK) 5 gestartet. Sie ist Mitglied im Landesverband Bremen/Niedersachsen der EWU (Erste Westernreiter Union Deutschland). Jetzt reitet sie in der LK 3. In den höheren Klassen (also 2 und 1) muss man in den Prüfungen dann auch einhändig reiten. Schließlich hatten die Cowboys früher auch mal ein Lasso in der anderen Hand. Greift man mit der zweiten Hand an die Zügel – weil man vielleicht korrigieren möchte oder das Pferd sich erschreckt hat – wird man disqualifiziert.

Das Westernpferd: Klein und wendig – aber nicht immer

Das klassische Westernpferd ist eigentlich das Quarter Horse – stark, wendig und von mittlerer Größe. Weitere amerikanische Rassen sind Appaloosa oder Paint Horse. Günni alias Topgun ist ein Deutsches Reitpony, hat aber mit seinen großen, weißen Flecken Ähnlichkeit zu einem Paint. Die Turniere der EWU sind rasseoffen. „Es gibt auch einige, die mit Tinkern oder Haflingern sehr erfolgreich sind“, sagt Jennifer. Zur Ausrüstung eines Westernreiters auf dem Turnier gehören neben einem Show-Outfit aus Stoffhose, Show-Bluse und gerne auch Chaps natürlich der klassische Cowboyhut. Damit der auch während des Galopps sitzt, helfen Reiter oft mit Haarspray am Hutrand nach.
Das Blanket wird farblich mit dem Outfit abgestimmt. Männer tragen auch mal Fliege. Die Disziplinen Ranch Riding und Reining sind durchaus etwas rustikaler, hier sind kurze Lederchaps, Chinks gegannt, gern gesehen. Außerdem gedeckte Farben im Outfit, oder Karohemd.
Jennifer Oltmanns ist natürlich nicht die einzige Westernreiterin im Ammerland. Aber in diesem Reitsport ist man eben besonders im Norden ein Exot. „Die Turnierreiter im Ammerland kann man an einer Hand abzählen“, sagt sie.
Einige Disziplinen im Westernreiten
Auf Turnieren gibt es verschiedene Disziplinen:
- Pleasure: Wie der Name schon sagt, soll es ein „Vergnügen“ sein, das Pferd im Schritt (Walk), Trab (Jog) und Galopp (Lope) am langen Zügel vorzustellen. Gleichmäßig, bequem und mühelos soll es aussehen.
- Trail: Sozusagen ein Hindernisparcours. Das Pferd muss mit dem Reiter auf dem Rücken Hindernisse wie Brücke oder Stangen überwinden. Ein Tor muss so durchritten werden, dass eine imaginäre Rinderherde nicht mit durch gehen kann.
- Ranch Riding: Hier können die Reiter die Vielseitigkeit ihrer Pferde unter Beweis stellen. Extended Jog und Lope werden genauso in der Prüfung abgefragt wie Tor, Stange oder Seitwärtsgehen.
- Horsemanship: Hier werden die Leistungen und die Haltung des Reiters bewertet. Der erste Teil ist eine festgelegte Pattern (Muster) mit verschiedenen Manövern, der zweite eine Pleasure in der Gruppe.
- Showmanship at Halter: Bei dieser Disziplin führt der Reiter sein Pferd am Halfter vor. Es werden Figuren in Schritt oder Trab gelaufen. Im Set Up, wenn das Pferd grade steht, begutachtet der Richter das Exterieur des Tiers. Reiter und Pferd müssen sauber und gepflegt aussehen.
- Reining: Die schnellste Disziplin: Sie wird im Galopp geritten. Flotte Spins (Drehungen) oder fliegende Galoppwechsel gehören dazu.
- Cutting: Bei der Rinder-Disziplin hat der Reiter zweieinhalb Minuten Zeit, in eine Herde hineinzureiten, sich ein Rind auszusuchen und es dann von der Herde abzutrennen. Cutting-Pferde haben einen „Cow-Scence“ also einen Sinn, mit dem sie „lesen“ wie sich das Rind bewegt. Fast katzenartig und athletisch bewegen sie sich – wie ein Spiegelbild zum Rind.