Erzkonservativ und katholisch – so wird der Landkreis Vechta häufig von außen gesehen. Im Oldenburger Münsterland ist die Welt eben noch in Ordnung. Hier wird mit Vorliebe die CDU gewählt, die Kinder sind abends um 18 Uhr vom Spielen wieder zuhause und um 20 Uhr sind die Bürgersteige hochgeklappt. Doch dann kommen diese sechs unheilvollen Tage, die so etwas wie eine Krankheit darstellen und einen Ausnahmezustand provozieren: Der Stoppelmarkt Vechta.
Ein Virus grassiert vom 16. bis 21. August
Es ist wie ein Virus, der sich schnell verbreitet. Ansteckend, aber glücklicherweise nicht tödlich. Kopfschmerzen und Katerstimmung sind zwei Nebenwirkungen, die man nach der Feierei gerne in Kauf nimmt. Nüchtern betrachtet ist der Stoppelmarkt eine riesengroße Kirmes mit Riesenrad, Schießbuden, Viehmarkt am Montag und vielen Zelten, in denen gefeiert wird. Nur nüchtern betrachten wenige Besucher dieses Volksfest.

Ich kenne eigentlich niemanden in meinem näheren Freundeskreis, der nicht mindestens an einem Tag den Stoppelhopser (so heißt der Bus, der das Partyvolk an den Ort des Geschehens bringt) gen Vechta nimmt. Dabei muss festgehalten werden, dass das Epizentrum der Stoppelmarkt-Pandemie ganz klar in Vechta liegt. Mein kleines Heimatdörfchen liegt an der Grenze zum Landkreis Vechta – aber auch hier wird die Liebe zum Stoppelmarkt mit der Muttermilch mitgegeben. Umso weiter weg die Menschen leben, umso heftiger wird das unwirsche Kopfschütteln ob der Stoppelmarkt-Fanatik.
Was ist denn nun eigentlich so cool an „Norddeutschlands größtem Volksfest“?
1. Die Stimmung ist bombe: Das beginnt schon im bereits erwähnten Stoppelhopser, geht in den großen Zelten weiter und endet auf der Rückfahrt im Bus.
2. Man trifft sich: Klar ist es auf dem Gelände schwierig, Leute zu finden. Aber meist kennt man seine Pappenheimer und weiß genau, wo wer zu finden ist. Und auch auf der Busfahrt begegnet man so einigen Gestalten, die man schon ewig nicht mehr gesehen hat (diese Begegnungen können dann positiv oder negativ ausfallen).

3. Es ist Tradition: Meist hat sich ein fester Tag herauskristallisiert, den man mit einer Gruppe von Leuten jedes Jahr wieder besucht: Sei es mit der Clique, den Mädels, Arbeitskollegen oder den ehemaligen Schulkameraden. Genauso hat es Tradition, die gleichen Zelte anzusteuern. Hier weiß man, dass die Musik gut ist und auf welche Leute man trifft.
4. Über Tag feiern ist toll gegen den Kater: Der Montag wird von vielen Firmen als Betriebsausflug benutzt. Dementsprechend steppt dann schon ab mittags der Bär, es wird aber nicht so voll wie an den Wochenenden. Der Start in den Montag beginnt um 8 Uhr (oder auch früher) mit einem Sektfrühstück, dann wird gefeiert bis abends. Und am nächsten Tag ist man wieder topfit.
Für jeden etwas dabei auf dem Stoppelmarkt
5. Hier findet jeder etwas nach seinem Geschmack: Die Zelte zum Feiern sind so unterschiedlich, dass hier niemand Sorge haben muss, nicht die passende Musik und die passenden Leute zu finden. Montagsabend heizt Mickie Krause im Niedersachsenzelt ein, davor ist auch Anna Maria Zimmermann zu hören und zu sehen. Namhafte DJs wie die Oldenburger Housedestroyer oder Partybands wie Smile oder Live Sensation geben sich die Klinke in die Hand. Und wenn es irgendwo blöd wird, geht man einfach weiter. Denn Eintritt zahlt man nirgendwo. Dazu gibt es eine große, wirklich große Getränkeauswahl und auch alle 50 Zentimeter eine Fressbude oder ein Fahrgeschäft. Langweilig wird es hier nie.
Kredite für den Stoppelmarkt?

Um den Stoppelmarkt ranken sich auch einige „Gerüchte“. So soll es in Vechta Menschen geben, die für die Feierei auf der Kirmes Kredite aufnehmen – und die das ganze Jahr über abbezahlen. Weiteres Gerücht: Um Stoppelmarkt hat ganz Vechta frei. Stimmt nicht ganz, aber fast. Denn vor allem am Stoppelmarkt-Montag sind viele Firmen gemeinsam auf der Westerheide unterwegs. Das Rathaus hat zu, viele Schulen machen dicht, die Agentur für Arbeit und auch das Hallen- und Wellenfreibad sind geschlossen. Verwaiste Büros wird man wohl im gesamten Vechtaer Landkreis finden. Die Leute außerhalb der Kreisgrenze, die auch vom Stoppelmarkt-Virus befallen sind, haben sich natürlich auch Urlaub genommen. Meist noch einen Tag mehr, um mögliche Nachwehen auszukurieren. Um das Fest künstlich in die Länge zu ziehen, feiern auch immer mehr Menschen bereits am Mittwoch in den am Festgelände gelegenen Hofkneipen Oldehus, Schmedes und einigen umliegenden Ständen den „Heiligabend“.
Dass der Stoppelmarkt immer größere Kreise zieht, zeigt schon der eingerichtete Zugverkehr. Mit der Nordwest Bahn kommt man relativ einfach hin und wieder weg. Denn das Festgelände hat extra für die sechs Tage einen Bahnhof. Wenn der ganze Zauber am Dienstag mit dem Feuerwerk endet, beginnt übrigens schon wieder der Countdown fürs kommende Fest. Aber jetzt wird erstmal gefeiert und das sonst so beschauliche Vechta in den Ausnahmezustand versetzt.
Noch ein paar Fakten zum Stoppelmarkt
- Es werden rund 800000 Besucher erwartet
- Er gilt als eines der ältesten Volksfeste, in diesem Jahr steigt die 720. Auflage
- Der Markt wird jährlich von Donnerstag bis Dienstag in der Woche des 15. August (Mariä Himmelfahrt) veranstaltet. Ist der 15. August ein Mittwoch, beginnt das Fest am darauf folgenden Donnerstag.
- Die Westerheide wird während der tollen Tage auf einer Fläche ovn 160000 Quadratmetern bespielt
- 500 Standbetreiber und Schausteller sind dabei
- Es gibt 24 Großfahrgeschäfte und 20 Festzelte
- Der traditionelle Viehmarkt beginnt am Montag um 7 Uhr. Dort werden Geschäfte noch mit dem Handschlag beschlossen.
- Am Montag ab 11 Uhr wird Andrea Nahles die Festrede in Kühlings Niedersachsenzelt halten.
- Am Donnerstag beginnt das bunte Treiben um 16.30 Uhr mit einem Umzug vom Rathaus bis zum Festgelände