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Ran, Drauf, drüber, drunter – Bremer Hindernisläufer bauen sich Trainingsparcours

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Tim Krüger schlägt einen abrupten Haken nach rechts und muss sich ducken, um in der kaum sichtbaren Öffnung im Gebüsch zu verschwinden. 20 Beine versuchen, den irritierten Befehlen ihrer Besitzer zu gehorchen und wie ihr Vorläufer die gepflegte Finnenbahn am Rande des genauso gut laufbaren Rasens zu verlassen. Äste rauschen dicht an den Köpfen der Läufer vorbei.  Linkskurve, Rechtskurve, über Wurzeln hinüber und unter Zweigen und Blättern hindurch – bis die Gruppe das erste Hindernis erreicht und unter einem in Schienbeinhöhe montierten Netz hindurchkrabbeln muss. Herzlich willkommen auf dem Hindernisparcours des ATS Buntentor!

Erstes Hindernis: Krabbeln (Bild: Claus Hock)

Und das ist erst der geschmeidige, ja sanfte Einstieg in die vier Kilometer lange Runde, die die Hindernislauf-Gruppe des ATS Buntentor auf der Sportanlage Stadtwerder in Bremen aufgebaut hat. In den folgenden 30 Minuten geht es noch mehrmals hoch hinaus und auch tief auf Knie und Hände, durch Matsch, Laub und eiskaltes Wasser.  Krüger und Gerrit Lubitz führen den festen Kern ihrer ATS-Truppe sowie einige Interessierte, die zum ersten Mal da sind, an diesem Sonntag durch die Runde und erklären, wie die Hindernisse am besten zu überwinden sind.

Hindernislauf: Viele Schikanen und Schwierigkeiten

Eigentlich kommt Tim Krüger vom Straßenlauf, einige Marathons hat er schon hinter sich gebracht. Dabei ist er, wie alle Läufer auf Zeit gelaufen, hat viel trainiert, und bei den Rennen selbst hat er versucht, möglichst schnell ins Ziel zu kommen. Logisch. Das bedeutet: In Kurven innen bleiben, der Ideallinie folgen, gleichmäßiges Tempo laufen, luftige Laufklamotten – damit es nicht zu heiß wird – und so weiter. Das kleine Einmaleins des ambitionierten Hobbyläufers.

Doch diese Rechnung ist ihm zu einfach geworden. Und jetzt tut er alles dafür, dass genau diese Variablen so nicht mehr funktionieren. Zumindest auf der ATS-Trainingsrunde. Dort versucht er, in die Ideallinie möglichst viele Schikanen und Schwierigkeiten einzubauen, und die Läufer so oft wie möglich zum Bremsen und wieder Beschleunigen zu zwingen. Und das ist ihm und seinem Team schon ziemlich gut gelungen.

Tausend frostige Nadelstiche

Hindernis zwei: Matschkuhle (Bild: Claus Hock)

Nach einigen hundert kurvigen Metern durch dichtes Gebüsch sowie eine knietiefe Matschkuhle führt Krüger sie Gruppe wieder auf eine Wiese und steuert den Werder-See an. Er läuft auf einen geplasterten Weg zu, der nach rechts am Ufer antlang führt. Nach wenigen Metern jedoch schlägt er wieder einen Haken – diesmal nach links –, springt über die gemauerte Wegbegrenzung auf die darunterliegende Wiese und läuft schnurstracks in Richtung See – und hinein.

Tausend Nadelstiche treffen die Beine derjenigen, die ihm folgen. Etwa 50 Meter legen sie laufend im knapp hüfthohen, eiskalten Wasser zurück, dann geht’s zurück an Land. „Wir haben auch eine Acht-Kilometer-Runde. Dafür muss man einmal ans andere Ufer schwimmen, und dann da hinten wieder zurück“, erklärt Krüger und ergänzt schmunzelnd: „Aber das sparen wir uns heute.“

Vom Werder-See zum Krähenberg

Ein zweites Mal nass wird’s trotzdem: Nach ein paarhundert Metern entlang des Ufers geht es erneut in den See. An etwa 30 Meter erneutes, baywatch-artiges Wasser-Durchqueren schließen sich 20 Meter auf einem Holzsteg an, bevor es nochmal ins Wasser geht. Nach einem weiteren Steg geht’s nochmal in den See, und nach einem dritten nochmal, bevor es – endlich – wieder auf dem Trocknen weitergeht. Die ersten Meter mit völlig tauben Füßen.

Es geht quer über eine große Wiese, und hinter einem kleinen Waldstück lenkt Krüger nach links um das Waldstück herum. Nochmal links, und nochmal links – und dann geht’s den Krähenberg hoch durch das Waldstück, und auf der anderen Seite wieder herunter, aus dem Wald hinaus. Zweimal schwarf rechts – und wieder den Krähenberg hoch durch das Waldstück, aber einen Weg weiter. Oben scharf links – und bergab laufen lassen. Unten führt Krüger die Gruppe nur noch über eine Wiese und durch ein kleines, anderes Waldstück zum letzten Teil der Runde – den mit den richtigen Hindernissen.

Ideen kommen auch mal beim Bier

Angefangen hat alles 2015. Krügers Teamkollege Gerrit Lubitz nahm am Lake-Run in Hoope teil, einem Hindernislauf. „Da hat er Blut geleckt“, erzählt Krüger: Lubitz eröffnete eine Hindernislaufgruppe beim seinem Verein ATS Buntentor Bremen und holte Krüger ins Team. „Dann haben wir gesagt: Wir bauen uns ein Trainingsgelände. Wir haben die Anlage mit dem Werder-See und dem Krähenberg ja hier. Und dann hat der Verein gesagt: Macht das.“

Geht ordentlich auf die Arme: Monkey Bars (Bild: Claus Hock)

Also haben sie angefangen, zu bauen: Autoreifen zum drüberlaufen und herumrollen, sehr schwere Treckerreifen zum hochhieven und umstoßen, Container und Holzwände zum drüberklettern, Strickleitern und Seile, Rohre zum durch- und Netze zum drunterkriechen, die sogenannten „Monkey-Bars“, also ein Gerüst zum Hangeln, und und und. Der Betrag, den wir mittlerweile ausgegeben haben, ist fünfstellig“, meint Krüger: „Und dabei schaue ich, wenn ich etwas haben will, erstmal monatelang im Internet oder fahre herum, bis ich das günstigste Angebot gefunden habe – und erst dann kaufe ich.“ Der Verein biete ihm aber viele Möglichkeiten, Ideen umzusetzen.

„Tim hat mega viele Ideen, was Hindernisse angeht“, erzählt Lubitz, der Initiator der Gruppe. Eine kam ihm abends in der Kneipe, erzählt Krüger: „Ich habe gedacht, was ist denn, wenn man bei einer Holzwand, über die man rüber muss, den unteren Teil wegnimmt?“ Krüger probierte es aus. Um es kurz zu machen: Es wird deutlich schwerer, sie zu überwinden.

Wand ohne „unteren Teil“: Tim Krüger zeigt eine gute Technik (Bild: Claus Hock)

Aktuelles Highlight der Runde ist die „Snake“. Da sind mehrere Holzstämme in Form einer Pyramide knapp zwei Meter über dem Boden angeordnet, wobei die Läufer über den ersten drüber, unter dem zweiten drunter durch, über dritten wieder drüber müssen – und so weiter. „Ich möchte gerne immer so eine Mischung bei den Hindernissen haben, zwischen technisch versiert und einfach, zwischen Spaß und Anspruch.“ Wobei „einfach“ sicherlich Definitionssache ist – und der „Spaß“ an der Sache sich wohl auch individuell unterscheidet.

Einfach und trotzdem anstrengend

Krüger peilt das nächste Hindernis an – das auf den ersten Blick eines zum Krabbeln ist, jedoch leicht bergab führt. Der 31-Jährige jedoch demonstriert einen anderen Weg: Er springt auf die Knie und rutscht den Rasen hinunter, während er sich geschickt das Netz vom Kopf hält. Der Profi hat also auch hier seine Methoden entwickelt, die Widrigkeiten möglichst schnell zu überwinden. Dann geht’s an Autoreifen. Zur Überraschung einiger Teilnehmer müssen diese nicht getragen werden, sondern gerollt – und das ganze 400 Meter weit. Einfach, ja – aber so weit doch richtig anstrengend.

Einfach, aber anstrengend: 400 Meter Reifen rollen (Bild: Claus Hock)

Krüger und Lubitz versuchen nun, eine feste Trainingsgruppe im „OCR“, dem Obstacle Course Running, in ihrem Verein zu etablieren. Noch findet das Training auf dem Parcours ziemlich unregelmäßig statt, und im Winter gar nicht. Dann, ab dem 17. November, gehen sie in die Boulderhalle. „Es kommt bei vielen Hindernissen auf Griffkraft an“, erklärt Krüger. Eine kleine, aber erfolgreiche Gruppe hat der ATS Buntentor schon. In diesem Jahr haben sie als Team drei Läufe der Lake-Run-Serie gewonnen, den vierten an diesem Sonntag (11. November) wollen sie auch noch gewinnen. Auch am noch jungen Hindernislauf „Immer extrem“ in der Gemeinde Ganderkesee hat Krüger schon teilgenommen – und den Vorjahressieger (mich!) gleich in die Schranken gewiesen. Krüger hat sich bei einem Event davon sogar für den Nationalkader und die Europameisterschaft in Dänemark empfohlen. Dort fand der Hobby-Hindernisbauer jedoch seine Meister: „Von 1000 Startern sind etwa 50 ins Ziel gekommen, ich gehörte nicht dazu“, gibt Krüger zu. Dennoch habe es „Spaß gemacht“.

Crow Mountain Survival

Technik erforderlich: Die „Snake“ (Bild: Claus Hock)

Auch der ATS Buntentor hat in diesem Jahr schon einen Hindernislauf-Wettkampf veranstaltet, den Crow Mountain Survival. „Wir haben gedacht: Wir haben ja die Anlage. Da können wir die auch für einen Lauf nutzen“, erklärt Krüger. Gemeinsam mit Bremen Racing haben sie das Event organisiert, 180 Läufer nahmen die vier, acht oder zwölf Kilometer (je einmal die Acht-Kilometer-Runde mit Schwimmen und einmal die Vier-Kilometer-Runde) in Angriff. Im nächsten Jahr wird es den Crow Mountain Survival wieder geben – und Krüger wird sich bis dahin sicher noch einige Schmankerl überlegen, die es für die Teilnehmer zu überwinden gilt – einige technisch versiert, andere einfach, einige anspruchsvoll, und einige machen sicher auch Spaß. Und die ein oder andere Überaschung ist auf jeden Fall auch dabei.

Ausgepowert geht’s an die „Snake“ – eine echte Herausforderung. Krüger macht immerhin vor, wie das große Hindernis zu überwinden ist. Genauso zeigt er kurz darauf eine gute Technik, um vertikale Holzwände zu überqueren. Möglichst einfach und schnell, eine Ideallinie über die Wand sozusagen. Aha, da kommt er doch durch, der Sportler, der möglichst schnell ans Ziel will. Nur braucht er eben hier auf dem Hindernis-Parcours nicht das kleine, sondern das große Einmaleins der ambitionierten Hindernis-Läufer.

Eindrücke vom Hindernislauf-Training beim ATS Buntentor

Mathias Freese

Free, Wilde und im Geiste Young. Best friends with Oscar, Angus und Jack Daniels. Bachelor in "Sport, Erlebnis und Bewegung". Mag intellektuelle Diskussionen über Filme, Serien, psycho- und soziologische Themen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Leidenschaftlicher Sportler, spielt trotzdem den Lauch in "Lachs & Lauch".