Eine Frau liegt auf den Metallplatten, die den Autoscooter umgeben. Ein Rettungssanitäter kniet neben ihr, zwei Mitglieder der Feuerwehr Rodenkirchen schirmen die Szenerie ab. Aus den Boxen des Fahrgeschäfts dröhnen die Spice Girls in ohrenbetäubender Lautstärke, Besucher drehen ihre Runden im Autoscooter, schreien begeistert auf, wenn die Scooter aufeinander prallen. Das Blaulicht des Rettungswagens blitzt im Dunst der Nebelmaschinen auf, vermischt sich mit dem Lichtgewitter des Rodenkircher Marktes. Am Straßenrand versorgt die Polizei gerade eine weitere hilflose Person, in der Ferne hört man das Martinshorn eines Krankenwagens näherkommen. Willkommen in der Nachtschicht auf dem Rodenkircher Markt.
Ein paar Minuten zuvor: Es herrscht geschäftiges Treiben im Feuerwehrhaus Rodenkirchen, direkt am Rand des „885. Roonkarker Marts“. Es ist kurz vor 22 Uhr, Schichtwechsel. Im Aufenthaltsraum läuft „Werner: Beinhart“, das Fußballspiel. Becher mit Kaffee dampfen auf den Tischen, die Polizei kommt kurz rein, um sich aufzuwärmen. Lars Stratmann (32), Ortsbrandmeister in Rodenkirchen, teilt die Gruppen ein. Sowohl die Streifen als auch die Fahrzeugbesatzung, denn im Falle einer Alarmierung ist die Brandsicherheitswache des Marktes auch die Besatzung des ersten Fahrzeuges. „Alle anderen müssen mit dem Rad kommen, Parkplätze sind während des Marktes Mangelware“, erklärt Lars Stratmann.

Hektik beim Schichtwechsel
Die Stimmung im Feuerwehrhaus ist ruhig, die Spätschicht (14 bis 22 Uhr) packt ihre Sachen, viele gehen jetzt privat auf den Markt. Die Feuerwehrleute der Nachtschicht (22 bis 6 Uhr) hoffen auf ruhige Stunden. Es ist einiges los auf dem Markt, aber das Wetter hat viele abgeschreckt. „Man kommt noch gut durch“, so der Ortsbrandmeister.
Das Feuerwehrhaus dient als Einsatzzentrale für Feuerwehr, Johanniter Unfallhilfe und den Sicherheitsdienst. Gerade will er seine Kameradinnen und Kameraden sowie die Mitglieder der Johanniter Unfallhilfe, die den Sanitätsdienst während des Marktes stellt, zur Schichtübergabe zusammentrommeln. Doch plötzlich häufen sich die Notfälle. Innerhalb weniger Augenblicke sind die beiden Fahrzeuge der Johanniter, mehrere Feuerwehrleute und der Notarzt, Dr. Olaf Hespers im Einsatz, doch das reicht nicht. Lars Stratmann lässt den hauptamtlichen Rettungsdienst alarmieren und ordert noch zwei zusätzliche Notärzte. Die letzten Feuerwehrleute, die noch in der Wache waren, werden ebenfalls auf den Markt geschickt. Zur Unterstützung, unter anderem beim Autoscooter. Es ist 22.10 Uhr.

Unterwegs auf dem Rodenkircher Markt
Eine Stunde vor Mitternacht. Sebastian Rohde (20), kommt in den Aufenthaltsraum. Der Feuerwehrmann aus Rodenkirchen lässt sich auf einen der Stühle sinken. „So geht die erste Stunde auch schnell rum“, sagt er und lehnt sich zurück. Bis eben war er draußen unterwegs, Krankenwagen einweisen und die Sanitäter bei ihrer Arbeit unterstützen. Mit ihm unterwegs war Yannik Diehm, ebenfalls 20 Jahre alt. „Ich räum hier erstmal auf und dann gehen wir eine Runde über den Markt“, sagt der Feuerwehrmann.
Über den Markt gehen, das bedeutet: Streife laufen, Präsenz zeigen und Ausschau nach hilflosen Personen halten. Im Feuerwehrhaus ist es warm, draußen nicht. Wer da im Rausch einschläft, unterkühlt sich schnell. Neben Sebastian Rohde, der zum dritten Mal Teil der Brandsicherheitswache auf dem Rodenkirchener Markt ist, und Yannik Diehm gehört auch Marcel Naß zur Streife.
Unterstützung durch den Sicherheitsdienst
„Der Sicherheitsdienst ist wirklich eine Erleichterung“, sagt Yannik Diehm während der Streife. Das geschulte Personal der Firma „Pund Security“ aus Pinneberg, welche seit vergangenem Jahr für Sicherheit auf dem Markt sorgt, würde viele Situationen entschärfen. „Die fischen schon viel ab, das macht es deutlich entspannter.“ Und so wirkt diese erste Streife auch: entspannt. Immer wieder müssen die drei Feuerwehrleute stehenbleiben, als Rodenkirchener kennen sie viele der Besucher. Aber ihre Aufgabe verlieren sie dabei nicht aus dem Blick. Immer wieder verlassen sie die Hauptwege, um auch hinter den Buden nach dem Rechten zu schauen, sprechen Betrunkene an, erkundigen sich nach dem Befinden.
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Zeit zum Essen bleibt auch. Als Yannik Diehm gerade sein Eis in der Hand hält und Sebastian Rohde eine Pommes verputzt, bleiben beide wie angewurzelt stehen. Ihre Hände gehen an ihre Ohren, sie drücken die Kopfhörer fester an, um den Funkspruch besser zu hören. Eine Schlägerei wird gemeldet, ganz in der Nähe. Die drei Feuerwehrmänner machen sich auf den Weg, es ist mittlerweile halb eins in der Nacht. Langsam konzentriert sich das Geschehen immer mehr auf die Markthalle und die Festzelte, die Besucher werden immer betrunkener. Einige von ihnen bechern schon seit dem Umzug um 14 Uhr.

Streithähne müssen versorgt werden
Die Schlägerei entpuppt sich als falscher Alarm, aber das ist nicht immer so. Etwas später liefert die Polizei zwei verletzte Streithähne im Feuerwehrhaus ab, beide müssen von den Johannitern versorgt werden. Notarzt Olaf Hespers (57) und Detlef Schumacher (53), Sanitäter und Ortsbeauftragter der Johanniter in Stadland, koordinieren die Aktion. Die Verletzungen der beiden Kontrahenten sind nicht zu stark, sie können auch noch aus eigener Kraft gehen.
„Mich stresst so schnell nichts“, sagt Olaf Hespers, der seit 25 Jahren als Notarzt tätig ist. Auch ein stark alkoholisierter „Dauergast“ an diesem Abend bringt den Ovelgönner Arzt nicht aus der Ruhe, obwohl es Stunden dauert, bis der Mann endlich in einem Taxi in Richtung Zuhause sitzt. „Ohne Teamarbeit wäre der Markt nicht zu schaffen“, betont Olaf Hespern und meint damit die Zusammenarbeit von Polizei, Sicherheitsdienst, Sanitätern und Feuerwehr.
„Es ist wichtig, dass niemand großen Schaden nimmt und alle in Ruhe feiern können“, so Olaf Hespers. Dazu gehöre auch, dass Sanitäter, Feuerwehr, Sicherheitsdienst und Polizei es schaffen, dass die Besucher ihnen vertrauen. „Es ist uns lieber, dass sich die Menschen bei uns melden, anstatt dass sie irgendwo draußen liegen und pennen.“ Ins Krankenhaus liefere man nur ein, wenn es nicht anders geht. „Wir beobachten hier erstmal, wenn es der Zustand hergibt“, erklärt der Notarzt. Etwas Ruhe wirke bei vielen schon Wunder.
Weniger Einsätze mit Minderjährigen
Unterkühlungen, Prellungen, Schnittverletzungen und zu viel Alkohol: Gegen kurz vor 3 Uhr und damit drei Stunden vor Ende der Nachtschicht, hatten die Einsatzkräfte von allem etwas. Nur eine Sache fehlt zum Glück: „Wir müssen uns viel weniger um sternhagelvolle Minderjährige kümmern“, sagt Olaf Hespers. Das sei früher ein wirkliches Problem gewesen. „Die kamen schon voll hier auf dem Markt an.“ Aber nachdem die Gemeinde mit der Polizei und einem Präventionsteam konzentriert dagegen vorgegangen ist, sei das massiv zurückgegangen. Und auch der Sicherheitsdienst, Pund Security aus Pinneberg, sei hier von besonderer Bedeutung. „Wir gucken gezielt nach alkoholisierten Minderjährigen, bestätigt Sicherheitschef Adriano Pund.

„Ein ganz normaler Rodenkirchener Markt bisher“, sagt Olaf Hespers. Jetzt werde es erfahrungsgemäß wieder hektischer, denn um 4 Uhr ist Sperrstunde. Wie heraufbeschworen, muss kurz darauf der Rettungswagen der Johanniter ausrücken, Blaulichter blitzen durch die Dunkelheit. Rund 25 Einsätze müssen Feuerwehr und Sanitäter in dieser Nacht meistern. „Das war eine der arbeitsintensiveren Nächte der letzten Jahre“, sagt Lars Stratmann am Sonntag. Aber aufgrund der guten Zusammenarbeit alle Beteiligten konnte viel erreicht werden. Um 4.30 Uhr hatten die meisten Gäste, auch Dank des Sicherheitsdienstes, den Platz verlassen.
Rodenkircher Markt: Die eingesetzten Kräfte
Während des Marktes sind neben Polizei, Bundespolizei und Sicherheitsdienst auch ehrenamtliche Helfer im Einsatz.
Die Feuerwehr war in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit zwöf Einsatzkräften vor Ort. Insgesamt waren während des 885. Rodenkircher Marktes 35 Feuerwehrleute im Schichtdienst unterwegs.
Die Johanniter Unfallhilfe stellte in der Nachtschicht zehn Personen aus dem ortsverband Stadland und dem Ortsverband Edewecht sowie zwei Fahrzeuge. Hinzu kommt der Notarzt.