Nordisch gesehen

„May I have this Pogo, Miss?“ – Fonsstock-Warm-Up in der Nordenhamer Jahnhalle

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„May I have this Pogo, Miss?“ Wer kann bei dieser netten Frage schon Nein sagen?  Vor allem, wenn es um das Fonsstock geht?
Bevor es am 15. und 16. Juni auf der Nordenhamer Osterwiese am Weserstrand wieder zwei Tage lang Punkrock vom Feinsten gibt, hatte das Team vom Fonsstock-Festival für den 12. Mai für einen netten Abend gepflegter Unterhaltung in die Jahnhalle im Weserstädtchen eingeladen. Man will ja auch nicht völlig ungeübt im Moshpit stehen, da ist so ein Warm-Up eine wirklich gute Idee. 

Zu diesem Zweck wurden nicht nur Besucher von nah und fern angelockt, sondern auch drei Bands, die diesen kräftig einheizen wollten. Diesem Ruf gefolgt sind neben Captain PIFF & The First Mates aus Oldenburg und Bremen auch die Niederländer von Harsh Realms und das Oldenburger Fonsstock-Urgestein Bitume

Garagen-Punk mit Captain PIFF & The First Mates

Captain PIFF and the FIRST MATES
Captain PIFF and the FIRST MATES – Garagepunk mit Hemd (Foto: Claus Hock)

Das schöne an solchen Punkabenden ist ja, dass klamottentechnisch ganz verschiedene Typen vertreten sind. Ob bunt-bepatchte Jeanswesten oder auch einfache Alltagskleidung, die Mischung ist recht bunt. Nichtsdestotrotz fällt jemand in Hemd, Jacket und mit schnieker Brille doch etwas aus dem Raster und auch auf. „Was der hier wohl macht?“, mag sich so mancher gefragt haben. Bass spielen und die Bühne rocken, ist die Antwort.

Denn ohne Jacket, ohne Brille und mit aufgeknöpftem Hemd hat der junge Mann kräftig die Sau rausgelassen. Bitte nicht falsch verstehen: Auch der Rest der Band hatte sichtlich Spaß. Doch so viel Elan und Bewegung wie der Typ am Bass hatte auch bei den Folgebands nicht jeder. 

Als erste Vorband des Abends hatten die Garagen-Punker das übliche Pech, dass die meisten noch ihre Kräfte schonen und noch nicht so tanzbereit sind. Da ist vor der Bühne meist auch mehr Platz, als zu späterer Stunde. Machte in dem Fall aber überhaupt nichts. Zwei Mädels haben ihren großen Freiraum genutzt und die Sau rausgelassen, stellvertretend für den noch zurückhaltenden Rest und zusammen mit dem Bassisten.

 


Für den Sänger war es auch nicht das erste Mal in der Jahnhalle: „Mit 15 hab ich mich schon einmal reingeschlichen“, plauderte er aus dem Nähkästchen, „die haben mich aber wieder rausgeschmissen.“ Dieses Mal durfte er zum Glück ganz offiziell rein und auch bleiben. Als Ersatz für die Ska-Formation Mad Monks haben die Jungs nämlich einen ziemlich guten Start in den Abend hingelegt. Das zeigte auch das verzweifelte „Nein!“ aus dem Publikum bei der Ankündigung des letzten Songs. Doch kein Flehen half und auch für ein Bier war keine Zeit mehr: Für die Band ging es noch weiter zum nächsten Gig. So durchgeschwitzt, wie zumindest der Sänger war, hatte der hoffentlich Ersatzklamotten im Auto.

Guter alter Punkrock aus Holland: Harsh Realms

Harsh Realms
Harsh Realms bei „May I have this pogo, Miss?“ (Foto: Claus Hock)

Die nächste Band war schon etwas härter als ihre Vorgänger – zumindest, was die Musik betrifft. Vielleicht war das der Grund, weshalb mehr Leute getanzt haben. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Rosendaaler schon einige Fans im Publikum hatten. Denn auf die Frage: „Wer hat uns letztes Jahr beim Fonsstock gesehen?“ gingen so einige Arme hoch. Weiter ging es dann aber auf Englisch – kein Problem übrigens für das multilinguale Publikum.

Endlich entstand tatsächlich auch so etwas wie ein Moshpit. Gut, eigentlich waren es nur zwei Typen, aber immerhin. Da sie beim Pogen nicht gerade zimperlich waren, waren zum Teil auch ein, zwei Leute mehr beteiligt. Irgendwann mussten die zwei aber doch zur Seite gehen, denn eine immer längere Reihe hatte sich gebildet und im wahrsten Sinne des Wortes das Tanzbein – also eigentlich beide – geschwungen. Da können die Tanzmariechen einpacken, sag ich nur. Vor dem letzten Lied und nach dem üblichen Komplimentieren des Publikums („I enjoy your dance moves! Way better than in the Netherlands!“) zeigte sich, dass harte Punks eben doch eigentlich ganz liebe Kerle sind: „Please, give some random applause to the people at the bar for giving us beer and stuff!“ Na dann: Prost und hoffentlich bis bald!

 

Fonsstock-Urgestein Bitume

Bei der letzten Band des Abends zeigte sich, dass die meisten wohl nur wegen ihnen da waren: den Deutschpunk-Musikern von Bitume aus Oldenburg. Schon beim ersten Lied hatte sich die Tanzfläche fix gefüllt und auch die hinteren Reihen standen nicht mehr still. Bei der Begrüßung war die Frage „Sollen wir jetzt anfangen?“ eher so etwas wie ein guter Witz, denn sowohl Band, als auch Tänzer waren schon gut durchgeschwitzt – wie sich das für ein traditionelles Punkkonzert gehört. Der Moshpit vor der Bühne blieb auch den Rest des Auftritts gut gefüllt und immer in Bewegung. Nur gelegentlich führte manch eine Songankündigung zu NOCH MEHR Begeisterung als sowieso schon, wie etwa beim „Kammerflimmern“, das NOCH MEHR Leute in die Mitte lockte.

 


Wer nur ein klein wenig ausrasten wollte, musste bald an den Rand ausweichen. Ging aber auch gut. 
Wer die Pogotänzer vor allem beobachtete, konnte dabei auch noch etwas lernen: Ist der Song zu schnell, wie wenn zum Beispiel die „Kleine Möwe“ kommt, sind selbst die hartgesottensten Punks überfordert und bewegen sich langsamer. Habe zumindest ich vorher nicht gewusst. Und egal wie hart und wild die Musik ist, lässt sich auch ein flotter Disco Fox aufs Parkett bringen. Das haben so manche spontan zusammengefunden Pärchen zumindest bewiesen.
Bitume
Die Oldenburger Punk-Veteranen von „Bitume“ (Foto: Claus Hock)

„Wir haben letztens ein Video von 1997 gesehen. Von der Fonsparade. Kennt ihr die noch?“, versmalltakte der Sänger eine kurze Pause. Er musste seine Gitarre stimmen, aber „die Lesebrille fehlt“, da dauerte das etwas länger. Solche Sätze und die etwas graueren (oder zum Teil fehlenden) Haare waren die einzigen Zeichen dafür, dass die Band schon etwas länger existiert und die zugehörigen Mitglieder schon etwas älter sind: Den ganzen Auftritt über rockten sie genauso hart mit wie auch ihr begeistertes Publikum. Das war wohl auch ein Grund dafür, dass die Ankündigung, dass es noch zwei Songs gibt, eher, sagen wir, verhalten aufgenommen wurde. Ob es an der ungebrochenen Energie der Tänzer lag oder am Typen, der einfach etwas auf die Setlist des Sängers kritzelte, ist nicht überliefert, doch Bitume ließen sich nicht lumpen und spielten natürlich noch eine Zugabe. Und noch eine. Und noch eine…

Nicht nur alte Lieder waren am Abend dabei, sondern natürlich auch neue. „Da haben wir nur den Titel, noch keinen Text“, wurde bei einem Song vorgewarnt. Dafür ging dem Sänger der Text ganz schön flüssig über die Lippen. Nur so nebenbei. Doch es half alles nichts: Nach der Zugabe und dem Gruppenbild vom Publikum und dem allerletzten, noch einmal richtigem Aufdrehen im Publikum ging auch die letzte Band von der Bühne. 

SPOILER: Die Oldenburger Band will manchmal ihre Heimatstadt niederbrennen. Wer wissen möchte warum, möge sich an die Band wenden und mal ein Konzert besuchen. Und wen es nicht interessiert, sollte das einfach trotzdem machen. Wenn er auf guten alten Deutschpunk steht.

 

Der Fonsstock-Abend in Bildern

So viel steht fest: Das Fonsstock ist auf jeden Fall gebucht, auch klarnordisch.de wird am Start sein. Bis dahin könnt ihr euch, egal ob ihr gestern Abend da ward oder nicht, euch zumindest durch die Bildergalerie zu „May I have this pogo, Miss?“ klicken.

Manuela Wolbers

Geboren und aufgewachsen im Emsland. Zum Studium zog's mich hinaus in die weite Welt: Zuerst nach Göttingen, zum Kulturanthropologie- und Politikstudium und dann weiter nach Marburg zum Geschichtsstudium. Unterwegs kamen zur quasi angeborenen Liebe zum Lesen (besonders Harry Potter), Schreiben und Inlinern noch die Liebe zum Hula Hoop, Häkeln, Stricken, Nähen und für Doctor Who dazu. Ein paar Jahre in immer bergigerem Land haben mich das Flachland vermissen lassen. Seit Oktober 2017 kann ich endlich meiner Leidenschaft frönen und das im schönen Nordwesten.

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