„Du hast gerade die Eröffnungsrede von Dumbledore verpasst! Und Claudia ist in die maulende Myrte reingelaufen!“ Und ich sitze noch in meinem Auto und steuere den Parkplatz an. Christina hat gerade eben angerufen, um einen ersten Lagebericht abzugeben: Mit meinen zwei Schwestern besuche ich drei Tage lang das Elbenwald-Festival in Luhmühlen.
Ich bin privat hier. Eigentlich. Kurzerhand entstand die Idee, die Klarnordisch-Leser mitzunehmen. Hier also ein persönlicher Erfahrungsbericht. Zur Vorwarnung: Es wird viel um Harry Potter gehen.
Zum ersten Mal findet das Festival statt. Elbenwald ist ein Shop, in dem es Fanartikel zu Serien und Filmen – vor allem Fantasy-Filme – gibt. Nur dieses Mal treffen sich die Film- und Serien-Fans nicht im Shop, sondern auf einem Festival, das Musik und Film zusammenbringt. Veranstaltungsort ist der Eventpark Luhmühlen bei Lüneburg, wo eine Woche zuvor noch „A summer’s tale“ stattgefunden hatte.
Elbenwald-Festival erwartet 15.000 Besucher

Ich komme an, hole meinen Rucksack aus dem Auto und werde von Christina und Claudia abgeholt. Was mir auf dem Weg zum Campingplatz auffällt: 1. Es ist deutlich kleiner als die Festivals, die ich üblicherweise besuche (Deichbrand mit rund 60.000 Besuchern, Hurricane mit mehr als 70.000 Besuchern). Auf dem Elbenwald erwarteten die Veranstalter bis zu 15.000 Film- und Musikfans. 2. Die Securitys tragen Deichbrand-Westen. Logisch: Die ESK Events & Promotion GmbH aus Hamburg ist Partner in Produktion und Organisation. Und die organisiert auch das Deichbrand. 3. Es ist deutlich ruhiger. Keine Flunkyball-spielenden Menschen, keine laute Musik. Stattdessen laufen mir regelmäßig Besucher entgegen, die gekleidet sind, als ginge es gleich in die nächste Zaubertrank-Stunde. Vereinzelnd sind auch Elfen dabei. Gandalf lief mir über den Weg, ebenso wie „The Witcher“ aus dem gleichnamigen Computerspiel. Symphatisch. Gefällt mir.
Gewitter über’m Elbenwald
Im Hauptzelt angekommen, dem „Fan-Dome“, spielt gerade die Band #Zweiraumsilke. Statt der geplanten zwei Stunden dürfen die Musiker nur noch eine halbe Stunde spielen. Der Grund ist das Wetter: Durch den starken Regen und das Gewitter musste das Festival zu Beginn unterbrochen werden. Alle Besucher sollten für rund eine Stunde in ihre Autos zurückkehren beziehungsweise in einen bereitgestellten Shuttlebus steigen. Trotzdem gibt die elfköpfige Band, die einen Mix aus deutschem Hip-Hop, Jazz, Funk und Soul bietet, alles – und drückt angesichts des strafferen Zeitplans auf die Tube.

Das Wetter ist besser geworden und ein paar hundert Meter weiter im „Funkelforst“ steht der Auftritt von “Fiddlers Green” an. Die deutsche Band spielt Irish Folkmusic. Die Bühne ist – gemessen an Hurricane- und Deichbrand-Maß – klein. Aber das Ambiente hat etwas. Es gibt kein Geschiebe und Gedränge vor dem ersten und einzigen Wellenbrecher. Zwischen den Bäumen hängen Todessterne als Lampions, an der Seite haben Show-Schwertkämpfer ihre mittelalterlichen Zelte aufgeschlagen.
Gegen halb elf geht es zurück in den Fan-Dome: Gleich spielt „Le Fly“. Untertitel der Band: St. Pauli-Tanzmusik. Auch hier gilt: Das Zelt ist gut besucht, aber nicht extrem voll, kein dichtes Gedränge. Bleibt mehr Platz zum Tanzen. Die neun Musiker spielen einen unterhaltsamen Mix aus Rap, Rock, Rumba und Reggae. Man achte auf die Details: Die drei Bläser hüpfen zu einigen Liedern im Hintergrund synchron zum Takt. „Ich hätte mehr Spidermänner erwartet“, gibt Rapper „Schmiddlfinga“ zu.
Verteidigung gegen die dunklen Künste
Um 0 Uhr liegen wir im Zelt in unseren Schlafsäcken. Wach gehalten werden wir die Nacht über nicht von lauter Musik und feiernden Menschen, sondern vom tobenden Sturm. Ein paar Meter von unserem Zelt entfernt stehen Toiletten (die normalen, nicht die Dixis) und Duschen. So richtige Duschkabinen mit Vorhang! So viel Privatsphäre gibt’s bei anderen Festivals nicht.
Es ist mittlerweile 12 Uhr mittags. In hier angebotenen Workshops eintragen geht nicht mehr – alles ist ausgebucht. Dabei hätten mich „Comiczeichnen“ und „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ interessiert. Im Fan-Dome findet derweil ein Nerd- und Film-Quiz statt. Zuvor konnte man sich dafür mit einem Team anmelden. Alle anderen dürfen natürlich mitraten. Die Fragen werden mithilfe einer Leinwand auf der Bühne gestellt. Um den Teilnehmern Zeit zum Überlegen zu geben, werden zwischen den Fragen bekannte Film- und Serientitel gespielt. Ich habe noch nie so viele Menschen die Titelsongs von „Pokemon“, „Digimon“ und den „Kickers“ singen hören.
Als Muggle bei Draco Malfoy

Weiter geht’s zum Quidditschfeld. Dort findet, Überraschung, ein Quidditsch-Training statt. Wir nehmen auf der Tribüne Platz. Immer mehr Hogwarts-Schüler setzen sich dazu. Neben mir sitzt eine Besucherin, die erklärt, weswegen sie eindeutig dem Haus Hufflepuff angehört. Claudia nutzt den Moment, um die Hand zu heben. „Hand hoch: Wer hat noch nie Harry Potter gelesen?“ Ja, jetzt ist es raus. Auch Nicht-Harry-Potter-Leser befinden sich auf dem Festival.
Um kurz vor vier sind wir zurück im Fan-Dome: Tom Felton soll hier gleich auftreten. In allen Harry Potter-Filmen verkörperte er Draco Malfoy. Es vergeht eine halbe Stunde, bis er unter lautem Schreien und Jubeln die Bühne betritt. Schade: Die Zeit geht von seinem Auftritt ab. Immer mit einem Lächeln beantwortet er Fragen aus dem Publikum: Stimmt es, dass du in Emma Watson verknallt warst? (Kernaussage der Antwort: Wir sind heute noch beste Freunde.) Welche Figur aus Harry Potter findest du am besten? (Antwort: Gilderoy Lockhart). Zum Schluss spielt Tom noch etwas auf seiner Gitarre und singt. Sieh an: Draco Malfoy ist sehr musikalisch. Dass in den ersten Minuten sein Instrument kaum zu hören ist, stört den 30-Jährigen nicht und er plaudert mit dem Publikum. Meine persönliche Lieblingsfrage, die er stellte: „Wer ist das erste Mal auf diesem Festival?“
Eigentlich sollte Tom Felton zusammen mit Evanna Lynch – sie spielt bei Harry Potter Luna Lovegood – auftreten. Durch das Wetter konnte ihr Flieger allerdings nicht starten. Die Schauspielerin traf ein paar Stunden später ein, ihre Fragestunde wurde um 20 Uhr nachgeholt – da befinde ich mich allerdings schon wieder im Funkelforst und höre mir Seemannslieder von „Mr. Hurley und die Pulveraffen“ an.
Dr. Mark Benecke: No pictures please!
Davor lauschen wir einem 90-minütigen Vortrag von Dr. Mark Benecke im Fan-Dome. Aufnahmen sind während des Vortrages absolut tabu, sagt uns der aus Medien bekannte Kriminalbiologe mehrmals. Verständlich: Die Fotos, die er zeigt, sind nicht ohne. Eineinhalb Stunden lang erklärt er, wie durch Leichen Mythen über Vampire entstanden sind. Packend erzählt und trotz des düsteren Themas unterhaltsam und stellenweise lustig.
0.30 Uhr: Lesestunde mit David Nathan, der deutschen Stimme von Johnny Depp. Im Fan-Dome liest er Kurzgeschichten von Steven King. An sich eine spannende Sache – aber einigen Zuhörern, inklusive mir, ist anzumerken, dass sie müde sind. Hinzu kommt, dass es im Zelt kalt ist und durch die geöffneten Türen die Musik aus der „Flimmerkiste“ dringt. Es fällt mir schwer, einer spannenden King-Geschichte zu lauschen, während im Hintergrund „She was working as a waitress in a cocktail-bar“ gesungen wird. Die Flimmerkiste ist eine Scheune, in der von morgens bis abends Harry Potter- und Herr der Ringe-Filme gezeigt werden. Anschließend gibt es immer eine „After Show“-Party.
Elbenwald, Tag 3

Der dritte und letzte Tag: David Nathan habe ich nicht mehr bis zum Ende gelauscht, dafür bin ich jetzt ausgeschlafen – und freue mich. Um 13 Uhr steht offiziell Coldmirror im Fan-Dome auf der Bühne, um Fragen zu beantworten. Womit wohl keiner gerechnet hat: die Youtuberin aus Bremen, die Kathrin Fricke heißt, assistiert bereits vorher auf der Bühne beim großen Harry Potter-Quiz. Die 33-Jährige ist selbst großer Potter-Fan. Und weil noch ein bisschen Zeit zwischen Quiz und offizieller Fragerunde ist, kommt Tom Felton nochmal für ein paar Minuten auf die Bühne, um zu singen.
Die Fragen beantwortet Coldmirror, von ihren Fans auch einfach nur „Kaddi“ genannt, so, wie Kenner es von ihr kennen: bodenständig, authentisch und mit Humor. Fragender Blick von Claudia: „Wer ist Coldmirror?“ Ein minutenlanger Vortrag von Christina folgt. Jetzt steht es quasi 1:1: Christina hatte schließlich vorher auch keine Ahnung, wer „Le Fly“ ist.
Anschließend gilt es, Zeit totzuschlagen: Denn bis zum Höhepunkt des Tages sind es noch ein paar Stunden. Zwischen Unterhaltungen bei den Showschwertkämpfern, einem Abstecher in den „Hobbitbau“, wo Lesungen stattfinden, und den Foodtrucks, die im Karee angeordnet neben der „Flimmerkiste“ stehen, fällt das nicht schwer. Ein Quarkbecher, ein Wildschweinburger oder doch lieber Pasta? Das Angebot ist nicht riesig, aber dafür originell und lecker. Und selbstverständlich ist Shoppen im Elbenwald-Shop möglich.
„Hinsetzen! Hinsetzen!“

Um 19 Uhr folgt der erwähnte Höhepunkt: Das „Pilsen Philharmonic Orchestra“ spielt im Fan-Dome. Wir, so wie einige andere Besucher auch, hatten damit gerechnet, dass es Bänke gibt. Leider nicht. Trotz fehlender Sitzgelegenheiten möchte ein Großteil der Zuhörer Platz nehmen – auf dem Boden. Irgendwie ein witziger Anblick: Das Orchester, jedes Mitglied festlich gekleidet, betritt die Bühne, und das Publikum ruft „Hinsetzen! Hinsetzen!“ Sekunden später sitzen alle auf dem Boden – bis auf das Orchester, versteht sich. Chefdirigent Chuhei Iwasaki hebt den Taktstock zum „Theme Song“ von „Star Wars“. Gänsehaut und gebannte Blicke nach vorn. Es folgen weitere Melodien aus dem Film, gefolgt von bekannten „Harry Potter“-Stücken und Melodien aus „Jurassic Park“ sowie „Herr der Ringe“. Iwasaki führt mit Witz durchs Programm: „Ihr müsst an dieser Stelle still sein – als ob jemand einen schlechten Witz erzählt hätte.“ Unter tosendem Applaus wird das letzte Stück gespielt. Es war großartig – aber ich hätte mir noch „He’s a pirate“ aus „Fluch der Karibik“ gewünscht.
Everything’s better with pirates!
Der Applaus verlangt nach einer Zugabe (um genau zu sein nach zwei). Die zweite Zugabe kündigt der Dirigent mit „You will like it“ an. Wie recht er hat: Das Publikum jubelt, als es die Melodie erkennt. „He’s a pirate“. Gibt es eine Steigerung von Gänsehaut? Kaum jemand wirkt nicht euphorisiert beim Verlassen des Zelts.
Kontrastprogramm zum Abschluss des Festivals: Kristian Nairn, der als Hodor aus „Game of thrones“ bekannt ist, legt als DJ auf. Wir aber sind noch vollkommen hin und weg von dem Orchester-Erlebnis.
Fazit: Hier und da kann das Festival noch nachbessern. Trotz des Unwetters wurden die drei Tage Veranstaltung souverän durchgezogen. Unterm Strich hat es mir gefallen – das Elbenwald-Festival bot durch das Konzept Abwechslung. Bleibt zu hoffen, dass sich die Besucherzahl nicht explosionsartig verdoppelt oder verdreifacht. Denn die vergleichsweise kleine Besucherzahl machte das Festival so familiär. Ich schaue mir jetzt „Fluch der Karibik“ an – und werde beim Abspann die Boxen laut aufdrehen.